Oliver Hankeln

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Ich liege seit einigen Tagen mit einer eitrigen Mandelentzündung im Bett – aber ich will nicht jammern, sondern die Sache positiv sehen. Meine Frau hat mir als Krankenlektüre das Buch „Scherbenpark“ mitgebracht. Das wäre kein Buch, das ich mir gekauft hätte, aber ich habe es dennoch gerne gelesen (ein langer Nachmittag reicht aus, wenn man nicht wie ich immer wieder zwischendurch einschläft 😉 )

Der Roman von Alina Bronsky handelt von Sascha, einem 17-jährigen russischstämmigen Mädchen, dessen Stiefvater Saschas Mutter und deren Freund umgebracht hat. Sowohl der Migrationshintergrund als auch die Armut und der trostlose Wohnkomplex in dem sie wohnt, spielen immer wieder eine Rolle, aber mehr als Kulisse vor der sich die Handlung abspielt und weniger als bestimmendes Element. Sascha ist sehr gut in der Schule – und an einer guten Schule. Sie ist nicht nur ihren Altersgenossen, sondern auch dem restlichen Umfeld intellektuell weit überlegen.

Nachdem ich von den Klappentext gelesen hatte, war meine erste Befürchtung, dass es sich um die Beschreibung eines „mitreissenden Schicksals“ und um die Geschichte einer gebrochenen Person handeln würde.

Glücklichweise ist es nicht so: Sascha ist selbstverständlich durch den Doppelmord geprägt worden, aber sie zerbricht an diesem Schicksal nicht, sondern stellt sich ihm. Sie hat zwei Ziele: ihren Stiefvater zu töten und ein Buch über ihre Mutter zu schreiben. Sie gibt sich auch immer sehr stark und scheint vor nichts wirklich Angst zu haben – dabei bleibt Sascha aber immer glaubwürdig, und man merkt durch teilweise extreme Handlungen schon, dass sie ein Stück weit gezeichnet ist. Mir gefällt aber, dass Sascha immer handelndes Subjekt und nie Objekt eines Schicksals ist.

Alles in allem habe ich das Buch gerne gelesen und kann es allen, die kein allzu zartes Gemüt („Ach die Ärmste!“, „Da muss doch jemand was tun“, etc.) haben, auch weiterempfehlen.

Nochmal vielen Dank, Nadine!

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