Stasi 2.0

Darf man die Situation in der BRD mit der in der DDR vergleichen?

Oliver Hankeln

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In Diskussionen über den Überwachungsstaat höre ich immer, man könne die Entwicklung in der BRD nicht mit der Stasi vergleichen. Es ist richtig, dass die Stasi mehr offizielle Mitarbeiter hatte als die westdeutschen Geheimdienste. Bei den inoffiziellen Mitarbeitern fällt der Vergleich natürlich schwer, aber ich nehme an, dass auch da die Stasi “die Nase vorn” haben dürfte. Heisst das tatsächlich, dass sich ein Vergleich verböte? Ich denke nicht.Wir führen gerade eine flächendeckende Überwachung der Telekommunikation ein. Bewegungsprofile fast aller Bürger hatte die Stasi nicht. Wer aber mit dem Handy unterwegs telefoniert hinterlässt ein solches, weil ja sein Standort für ein halbes Jahr gespeichert werden soll. Und mit wem er telefoniert hat. Und wie lange. Und wem er eine Email geschrieben hat. Und auf welchen Seiten im Internet er sich informiert. Von Dissidenten nimmt die Polizei Geruchsproben, der Verfassungsschutz durchsucht heimlich Rechner, Experimente mit automatischer Gesichtserkennung laufen, die Mautbrücken werden vielleicht bald helfen die Bewegungsprofile der Bürger zu verbessern, die mit dem Auto unterwegs sind. Wer sich verdächtig macht, seine Meinung äussern zu wollen, wird erst mit Razzien eingeschüchtert, und wenn das nicht hilft, mit Vorbeugehaft bedroht. Unsere “Volksvertreter” brauchen einen antidemokratischen Schutzwall, um sich vor dem Souverän, dem Volk, zu verstecken. Und weil die “wir sind das Volk”- Rufe möglicherweise trotzdem am Grenzzaun in Heiligendamm zu hören sein könnten, müssen die Demonstranten kilometerweit von Zaun entfernt demonstrieren.

Aber die Spitzel, die fehlen doch im Vergleich zur Stasi, oder? Wahrscheinlich nicht. Die NPD ist so sehr vom Verfassungsschutz unterwandert, dass man sie nicht verbieten kann, weil man nicht weiss, ob der Mist den die verzapfen von den Nazis oder dem Verfassungsschutz ausgeheckt wurde. Andere politische Gruppierungen dürften ähnlich stark unterwandert sein, nur weiss das keiner, bis ein Gericht sich damit beschäftigen muss. Der Schachklub um die Ecke ist sicher nicht mit Spitzeln besetzt - die Attac-Veranstaltung schon eher.

Und wir dürfen nicht vergessen, dass die Stasi von der schieren Datenflut, die sie auf Zetteln und Karteikästen gesammelt hatte, erschlagen wurde. Die Stasi wusste theoretisch sehr viel. Praktisch konnte nur ein kleiner Teil des Wissens genutzt werden. “Unsere” Schlapphüte haben moderne Technik und Data-Mining-Algorithmen zur Verfügung. Das steigert die Effizienz bei gleicher Datenlage ungemein.

Und jetzt? Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass man nicht auffällt? Nein! Wiederstand ist NICHT zwecklos! Man kann z.B. die AK Vorratsdatenspeicherung unterstützen, Andere auf die Probleme aufmerksam machen, Briefe an Abgeordnete schreiben, oder, oder, oder. Noch gibt sich dieser Staat demokratisch - nutzen wir die Möglichkeiten, bevor es zu spät ist!

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