Oliver Hankeln

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Nach den Ereignissen in Japan hat die Bundesregierung über Nacht entschieden: die Laufzeitverlängerung wird ausgesetzt. Natürlich nicht endgültig, sondern für drei Monate – dann sind die anstehenden Landtagswahlen vorbei und die Regierung kann sich dann wieder ungestört der Atomlobby widmen. Für ein oder zwei der ältesten Atomkraftwerke wird das vorraussichtlich das endgültige Aus bedeuten, aber ansonsten ist unklar, wie es weitergehen soll.

Da tut die Regierung doch endlich etwas, und schnell reagiert hat sie auch, oder?

Nein. Erstens kann die Regierung gar nichts tun: die Laufzeitverlängerung ist seit 1. Januar in Kraft. An dieses Gesetz ist auch die Bundesregierung gebunden. Die Kraftwerke werden also nur abgeschaltet, wenn auch die Atomkonzerne mitspielen. Warum aber sollten die das tun? Ganz einfach: die CDU/CSU/FDP-Regierung hat gerade erst die Laufzeitverlängerung beschlossen. Diese Regierung ist der Atomlobby sehr recht. Verlorene Landtagswahlen würden dem verlängerten Arm von E.ON, RWE & Co in Berlin nur das Regieren schwer machen. Da kann man auch mal einen alten, schrottreifen Meiler opfern, wenn das der Regierung hilft…

Zweitens ist die Massnahme vollkommen absurd. Seit dem Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami in Japan hat sich nichts an der Sicherheit deutscher Atomkraftwerke geändert. Die Wahrscheinlichkeit eines Tsunamis in Niederbayern ist nicht gestiegen, die Erdkruste ist nicht plötzlich instabiler geworden und auch die Bedrohungslage durch Terroristen hat sich nicht geändert.

Entweder waren die Atomkraftwerke in Deutschland vor einer Woche sicher, dann sind sie es auch heute noch. Oder sie waren auch letzte Woche unsicher (wofür einiges spricht), dann sind sie weiterhin unsicher, aber da das die Regierung ja nicht davon abgehalten hat, trotzdem die Laufzeiten der AKW zu verlängern kann es nur eine Erklärung für den plötzlichen Richtungswechsel geben:

Wahlkampftaktik.

Schliesslich hat, wie im Juli 2009 bekannt wurde, die Regierung Merkel schon im Jahr 2006 und 2007 zugegeben, dass die älteren Reaktoren wie Biblis und Krümmel nicht dem aktuellen „Stand der Technik“ entsprechen und „nicht zu den weltweit hochmodernsten und sichersten Atomkraftwerken“ gehören. Es ist also keine Neuigkeit, dass hier Reaktoren stehen, die eben nicht das höchstmögliche Maß an Sicherheit bieten. Dass das der Regierung bisher egal war, zeigt, dass die Sicherheit und auch der Wählerwille, der seit langer Zeit den Ausstieg will, erst an zweiter Stelle stehen. An erster Stelle stehen weiterhin die guten Beziehungen zu den Energiekonzernen. Das wird sich auch durch das Moratorium nicht ändern.

Es werden also voraussichtlich einige Reaktoren in Deutschland von Netz gehen. Die immer wieder beschworene Versorgungslücke findet aber augenscheinlich nicht statt. Vergangenen Herbst war es unmöglich so schnell aus der Atomenergie auszusteigen, heute erklärt BDI-Chef Hans-Peter Keitel in der FAZ: „Es sollen sieben Kernkraftwerke vorübergehend abgeschaltet werden. Das ist für die Stromversorgung verkraftbar.“. Schon wieder so eine altbekannte Lüge, die sich plötzlich in Nichts auflöst, wenn Unbill durch die Wähler droht.

Natürlich: zu begrüßen bleibt, dass wir nach diesem „Moratorium“ weniger Kernreaktoren haben werden als vorher. Leider passiert das aus den falschen Gründen. Ich halte es durchaus für möglich, Kernkraftwerke zu bauen, die sicher genug sind, um ein tolerables Maß an Restrisko zu bergen. So einen Reaktor betreibt man drei, vier Jahrzehnte, dann wird der wieder abgebaut und nach spätetens 80 Jahren ist der Spuk vorbei. Das sind Zeiträume die einigermassen überschaubar sind. Die können wir technisch unter Kontrolle halten. Dazu muss man natürlich immer diskutieren, welches Restrisiko bestehen bleiben darf. Auch wenn Angela Merkel jetzt ganz überrascht tut: es war allen klar, dass es 100% Sicherheit nicht geben kann. Weder in Japan noch sonstwo.

Da das aber für das gesamte Leben gilt, werden wir wohl oder übel Risiken tragen müssen.

Die viel schwierigere Frage ist aber die nach der Endlagerung des entstehenden Atommülls. Der muß über Jahrtausende sicher verwahrt werden. Das sind Zeiträume, die vielleicht für Archäologen oder Paläontologen kurz erscheinen, aber diese Zeiträume können wir nicht überblicken und planen.

Bisher stellen wir unseren Atommüll in eine Blechhalle in Gorleben und hoffen darauf, dass irgendwann einmal irgendjemand die Technik entwickelt, den Müll so umzuladen, dass er in den Salzstock gebracht werden kann – wenn der Salzstock sich überhaupt als Endlager eignet. Das ist der eigentliche Skandal und der wirkliche Grund, warum Atomenergie eine verantwortungslose Form der Stromerzeugung ist.

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